Kindheit und unruhige Jugend Loosli kam in Schüpfen im Kanton Bern am 5. April 1877 zur Welt, gestorben ist er in Bern-Bümpliz am 22. Mai 1959. Er wurde als Sohn einer Emmentaler Bauerntochter und eines italienischen Weinhändlers unehelich geboren, seine Mutter übergab ihn gleich nach der Geburt einer Pflegemutter, Annemarie Zweiacker. Bei ihr in Schüpfen verbrachte er seine ersten zwölf Jahre. Im Jahre 1888 verlor er beim Spiel mit Flobert-Munition das linke Auge. Mit dem Tod von Annemarie Zweiacker nahm seine glückliche Kindheit 1889 ein jähes Ende und er kam in die Anstalt Grandchamp am Neuenburgersee. Bis zu seiner Volljährigkeit erlebte und überlebte er noch manch andere Anstalt, vor allem die Jugendstrafanstalt Trachselwald im Emmental, die von einem sadistisch veranlagten Leiter befehligt wurde, der die Zöglinge einem diktatorischen Regime unterwarf. Zwischen Bern, dem Emmental, Neuchâtel und Paris nahm Looslis wildbewegte Jugendzeit als Bohemien ihre Fortsetzung, mit dem Erlebnis der Künste und der aufwühlenden Affäre Dreyfus, in welche er hineingeriet. 1901 wurde seine Bevormundung gerichtlich aufgehoben und er trat die Erbschaft seiner Pflegemutter an, von deren Erlös er eine kleine Europareise und seine Hochzeit finanzierte. Verheiratung 1903 verheiratete er sich mit Ida Schneider (1903), der Tochter einer Hebamme aus Rüegsauschachen im Emmental. Das junge Paar zog 1904 nach Bümpliz, einem Dorf in der Nachbarschaft der Bundestadt Bern, wo es bis zum Tode von Ida im Jahre 1950 zusammen wohnte. Bis 1920 hatte das Paar fünf Kinder, zwei Mädchen und drei Jungen. Freier Schriftsteller Carl Albert Loosli hatte noch vor seinem Wegzug nach Bümpliz mit Schreiben begonnen. Wegen eines Augenleidens und weil seine Vormünder in Sumiswald seinen Wünschen nach einem Studium der Naturwissenschaften nicht entsprachen, hatte er den Besuch des Gymnasiums abbrechen müssen. An ein Hochschulstudium war folglich nicht zu denken. Seit den Tagen in der Anstalt Trachselwald, als ausser der Bibel sämtliche Lektüre, Bücher wie Zeitungen, strengstens verboten war, wurde ihm Bildung zu einem Wert, der auf abenteuerliche Weise und mit Respekt gewonnen werden musste. Er eignete sich auf autodidaktischem Wege eine umfassende Bildung an. Geprägt von seinen Aufenthalten in mehreren Sprachregionen der Schweiz und von seinen literarischen und wissenschaftlichen Studien, empfand und schrieb er in der französischen Sprache und im Dialekt des Unteremmentals, aber auch in der hochdeutschen Schriftsprache. Seine erste schriftliche Arbeit stammt aus der Zeit in Neuchâtel, wo er als Sechzehnjähriger den wissenschaftlichen «cercle Les Amis de la Nature» gründete, die Studie «Le langage des animaux». Er begann sich journalistisch zu betätigen, schrieb für die Berner Weltchronik von August Lauterburg und redigierte 1904 bis 1906 den Berner Boten. In Berlin wurde der junge Philologe Jonas Fränkel auf den Journalisten Loosli aufmerksam, der mit seinen Leitartikeln auf originelle Weise das kleine Dorf und die grosse Welt miteinander verband und prägte den Begriff vom „Philosophen von Bümpliz“. Auf Ende 1906 veröffentlichte Loosli eine Auswahl seiner Artikel unter dem Titel Bümpliz und die Welt. Der kaustische Witz und die philosophische und gleichwohl erdverbundene und spielerische Tiefe seiner Aufsätze erinnerten die Zeitgenossen einmal an Gotthelf, dann wieder an Mark Twain, Johann Peter Hebel oder Leo Tolstoj. Indes lehnte Loosli zeitlebens literarische und geistige Vorbilder ab, wenn er auch besondere Vorlieben zeigte – für die russische Literatur, Gogol beispielsweise, für die französische Literatur und hier insbesondere für Voltaire und Anatole France, für die Satiriker aller Epochen, angefangen bei Aristophanes, für Jeremias Gotthelf, Gottfried Keller und den Historiker Jacob Burckhardt, vor allem auch für Carl Spitteler. Als deutsch-französischer Dichter und Visionär hat ihn Heinrich Heine sehr beeindruckt und sicherlich beeinflusst, ebenso Lichtenberg und Christoph Martin Wieland. Goethe war ihm als allseits verehrter Dichterfürst eine Grösse, die er satirisch zu hinterfragen gedachte.
Glauben und Demokratie Sein Wunsch nach einem tätigen Glauben, nach Gleichheit und sozialen Reformen, führten ihn frühzeitig weg von der protestantischen Landeskirche des Kantons Bern, wo er 1902 seinen Austritt erklärte. Sein „toleranter Agnostizismus“ kommt in Beiträgen in Bümpliz und die Welt wie Christentum und Vaterlandsliebe, Weihnacht, Glaube und Pfingsten zum Ausdruck. Das Christentum und die anderen Religionen waren für ihn Teil der menschheitsverbindenden Gesittung und gingen ein in eine allumfassende Humanität, in welche Kunst und Kultur, die Demokratie und die Menschenrechte eingebettet waren. Zu seinen Ausgangspunkten gehörten die Grundwerte der Amerikanischen und der Französischen Revolution. Ausgehend von diesen Überzeugungen und aus den Erfahrungen seiner Rechtlosigkeit als Anstaltszögling und Bevormundeter machte er es sich zu seiner Aufgabe, Unrecht und Ungerechtigkeit zu bekämpfen, wo immer diese ihm begegneten.
Loosli der Unbequeme, der Satiriker, Lebenslanges Engagement gegen Unrecht Als Publizist intervenierte Loosli sein Leben lang in der Art des Franzosen Emile Zola („J’accuse!“), den er seinerzeit in Paris persönlich kennengelernt hatte. Bis zu seinem Lebensende setzte er sich für die Armen und Getretenen der Gesellschaft ein und vor allem für die Belange der Jugend. Kompromisslos kämpfte er für die Demokratie und die Menschen und Bürgerrechte. Früh warnte er vor den Gefahren des Antisemitismus und des Nationalsozialismus. Die bildenden Künste waren ihm ein grosses Anliegen, auch die Interessenwahrung der freien Schriftsteller. Der „Philosoph von Bümpliz“ war kein Intellektueller des üblichen Zuschnitts, und sein äusseres Erscheinungsbild täuschte: Der ländlich gekleidete Loosli schrieb für Blätter der Weltpresse und für Bauernkalender gleichzeitig. Als Satiriker machte er sich weitherum einen Namen. Carl Albert Loosli war keineswegs nur der kernige Dialektschriftsteller, als der er bis heute bei vielen in Erinnerung geblieben ist. Seine Gedichtsammlung «Mys Ämmitaw» von 1911 hat in mehreren Generationen seine Leser gefunden, ebenso «Mys Dörfli» mit seinen köstlichen Erzählungen und die Emmentaler Eulenspiegelei «Üse Drätti» (1910). Bereits lange vor 1914 hatte er sich überall Feinde gemacht, mit seinen Satiren auf Kosten karrieresüchtiger Politiker und ehrgeiziger Literaten, auf Kosten ewig gestriger Moralapostel und des «Bureausaurus helveticus. L», aber auch mit seinen Harken gegen die würdelose „Tourismusindustrie“. Ein Eulenspiegel war in der vor Selbstbewusstsein strotzenden schweizerischen Demokratie nicht vorgesehen, seine gesellschaftliche Ausgrenzung stellt somit keine Überraschung dar. Als Loosli sich mit den führenden gesellschaftlichen kulturellen Kräften des Landes und vor allem dem tonangebenden literarischen Zürich anlegte und mehreren Professoren Inkompetenz vorwarf, war das Mass voll. Mit seiner Warnschrift Ist die Schweiz regenerationsbedürftig? stellte er im Herbst 1912 die Frage nach dem Sinn einer Nation, die ihre demokratischen Ideale zugunsten eines oberflächlichen Materialismus in allen gesellschaftlichen Bereichen und einer profit- und sesselorientierten Parteipolitik aufzugeben drohte. Mit dieser Kritik verdarb es sich Loosli gleich mit allen drei massgeblichen politischen Kräften des Landes, dem dominierenden Freisinn, den Konservativ-Katholischen und der Sozialdemokratischen Partei.
Die Gotthelfaffäre Mit der Gotthelfaffäre kam es zum Eklat: Als Dichter stiess sich Loosli an den Spekulationen um die Authentizität von William Shakespeare und ärgerte sich über den „philologischen Klatsch“, der seiner Meinung nach den Blick auf das dichterische Werk der Schriftsteller verstellte. Im Februar 1913 stellte er öffentlich die Behauptung auf, nicht Albert Bitzius, sondern der mit diesem befreundete gescheite Bauer Johann Ulrich Geissbühler sei der wahre Autor der Werke von Jeremias Gotthelf gewesen. Nach wochenlangen fachkundigen Debatten in der Presse verkündete Loosli, es habe sich um einen Scherz gehandelt. Sein Ziel war gewesen, die literarische Fachwelt aufs Glatteis zu führen und zu desavouieren. Dies war ihm gelungen, aber zu einem hohen Preis, denn die düpierten Professoren nahmen ihm die Sache sehr übel und schlugen im Verbund mit allen andern und inzwischen zahlreichen Feinden Looslis zurück. Das Machtwort sprach mit Dr. Hans Trog der einflussreiche Feuilletonchef der Neuen Zürcher Zeitung, welcher Loosli für „literarisch gestorben“ erklärte. Das hatte für Loosli jahrzehntelange Ächtung durch einen Teil der Presse und durch den Buchhandel zur Folge. Seine materielle Lage verschlechterte sich dadurch ungemein. Wobei seine Bücher und Broschüren meist eh schon ein Verlustgeschäft darstellten und die Pressearbeit nur wenig an Verdienst einbrachte. Übersetzungen aus dem Französischen ins Deutsche sowie diverse Auftragsarbeiten in der Werbebranche, ferner seine Tätigkeit als Vortragsredner und seine Expertisen für Kunstgemälde brachten schon eher das Geld ein, so dass die Familie überleben konnte.
Looslis Bedeutung als Allrounder, sein visionäres publizistisches Werk Sein Lebenswerk kann in drei grobe Bereiche gegliedert werden: seine sozialpolitische und erzieherische Tätigkeit, ein kunsthistorisch-gewerkschaftlicher Bereich, und seine belletristischen, seine eigentlichen literarischen Unternehmungen. Wobei sich hier gleich bestätigt, wie bei Loosli vieles miteinander verbunden ist und schwerlich getrennt werden kann, war doch der manchmal polternde und doch feinsinnige Dichter auch der Gründer des Schweizerischen Schriftsteller-Verbands, einer von ihm gewerkschaftlich gedachten Interessenvertretung der vollberuflich tätigen Autoren. Loosli war der erste Präsident des SSV, musste aber infolge der Gotthelfaffäre das Amt abgeben. Mit Novellen, Erzählungen und Gedichten stellte er sein Können auch in der hochdeutschen Sprache unter Beweis, mit den satirischen Kurzgeschichten im Narrenspiegel (1908), einer Fortsetzung der Erzählungen und Leitartikel aus Bümpliz und die Welt in ulkigeichter Form, und mit Satiren und Burlesken (1913). Eine grosse Rolle in Looslis literarischem Kosmos spielt Carl Spitteler, den er seit 1908 zu seinem persönlichen Freundeskreis zählte und über dessen Werk er in der Frankfurter Zeitung schrieb (Carl Spitteler als Heimatkünstler). Spitteler und dessen Versepos Olympischer Frühling zu Ehren verfasste Loosli 1922 seine „kosmische Satire“ Die trunkenen Demiurgen und wenig später Jaldabaot. Kosmisch-epische Dichtung (Bern 1926) und gab in späten Jahren seine Erinnerungen an Carl Spitteler (1956) heraus. Looslis bester Freund, der Literaturwissenschaftler Jonas Fränkel, der aus einer jüdischen Familie in Krakau stammte und 1909 endgültig in die Schweiz gezogen war, arbeitete viele Jahre lang an der Edition der Werke Carl Spittelers und Gottfried Kellers. Vielen stiess dies auf, und einer Koalition aus heimlichen und offenen Antisemiten, aus Vertretern des literarischen Zürich und aus rechtskonservativen Kräften gelang es in den vierziger Jahren, diese Projekte Fränkels schliesslich zu verhindern – eine bis heute nicht getilgte Schande der kulturellen und politischen Schweiz.
Bildende Kunst Seine Freundschaft mit zahlreichen bildenden Künstlern seiner Zeit und vor allem zum Maler Ferdinand Hodler (1853-1918) führt zu einem weiteren grossen Bereich von Looslis Aktivitäten. Bis 1912 war er als Sekretär und Redaktor der Gesellschaft Schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten GSMBA tätig. Als solcher vertrat er die gewerkschaftlichen Interessen der Berufskünstler gegen die Dilettanten und machte sich auch hier nicht nur Freunde, war doch die durch Hodler und seine Freunde angeführte Künstlerbewegung den traditionell und konservativ ausgerichteten Künstlern und ihrem Publikum ein Dorn im Auge. Für Loosli waren die Jahre 1896 bis 1914 eine Aera der künstlerischen Stärke, wie sie die Schweiz seit der Renaissance nicht mehr erlebt hatte. Als Manager und Mitarbeiter Hodlers interpretierte er dessen Werk auch schriftstellerisch in unzähligen Beiträgen, wobei er mit der Herausgabe von «Ferdinand Hodler. Leben, Werk und Nachlass» in vier Bänden zwischen 1921 bis 1924 den eindeutigen Höhepunkt setzte. Loosli galt zu Lebzeiten als der massgebliche Spezialist für Hodler und für die mit diesem verbundenen Künstler Emile Cardinaux, Albert Trachsel und Cuno Amiet, denen er mehrere Studien und Kataloge zu Ausstellungen ihrer Werke widmete. Für private Sammler, Museen und Institutionen war er beratend tätig und erstellte in Auftrag Expertisen zu einzelnen Werken Hodlers. Als Ergebnis jahrzehntelanger Sammlertätigkeit kam ein reichhaltiges Archiv mit allerlei Dokumenten zu Leben und Werk Ferdinand Hodlers zustande, das er allerdings in Ermangelung des öffentlichen Interesses, sowohl der Eidgenossenschaft wie des Kantons Bern, schliesslich testamentarisch dem Kunstmuseum in Neuchâtel überantwortete und den Zugang für 50 Jahre über seinen Tod hinaus sperren liess.
Politik, Kampf gegen Nationalsozialismus und Antisemitismus. Wie in allen andern Schaffensbereichen sind Looslis Publikationen im erzieherischen und politischen Bereich in engem Zusammenhang mit seinem Handeln zu begreifen. In Fortsetzung von «Ist die Schweiz regenerationsbedürftig ?» setzte er sich im Ersten Weltkrieg mit «Schweizerische Zukunftspflichten» und vielen andern Publikationen gegen den gefährlichen Einfluss des deutschen Kaiserreichs in der Schweiz und für eine Neugeburt des demokratischen Staatswesens ein. Die der Schweiz zugrundeliegenden Werte sah er durch die führenden politischen Schichten und eine zunehmende Bürokratie gefährdet und arbeitete aktiv an einer Neupositionierung des Landes durch eine Annäherung an Frankreich und Grossbritannien. Seine Eindrücke einer Reise durch das kriegführende England legte er in «Was ich in England sah?» (1918) nieder. Mit der vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund unterstützten Schrift «Die schlimmen Juden!» des Jahres 1927, «Judenhetze» Judentum und Antisemitismus, bekämpfte er den Antisemitismus in seiner schweizerischen und vor allem auch internationalen Form, wie er durch die „Protokolle der Weisen von Zion“ Verbreitung fand. Die Schlimmen Juden wurden über die Schweiz hinaus im deutschsprachigen Raum beachtet und kontrovers diskutiert. Seine Annäherung an die jüdische Minderheit wurde durch «Die Juden und wir» (1930) fortgesetzt, auch in dem Sinne, dass er das Recht der jüdischen Minderheit auf ein kulturelles und religiöses Eigenleben nun stärker hervorhob und von seiner Forderung nach einer Assimilierung der Juden in der Gesellschaft Abstand nahm. Aufgrund seiner Kenntnisse und Erfahrungen war Loosli im Berner Prozess um die „Protokolle der Weisen von Zion“ 1934/35 Sachverständiger des Gerichts und Kontrahent des aus dem Reich entsandten Experten der angeklagten Schweizer Nazis, Ulrich Fleischhauer. Mit diesen Aktivitäten und seinen Publikationen Umschalten oder Gleichschalten (1934) und Demokratie und Charakter (1936) forcierte er den Abwehrwillen der schweizerischen Demokratie gegen das Dritte Reich. Zahlreiche Pressebeiträge in der Berner Tagwacht, dem Schweizerischen Beobachter und der antifaschistischen Wochenzeitung «Die Nation», in welchen er die landesverräterische Tätigkeit der einheimischen Nazis blosslegte, ferner seine Unterstützung von zahlreichen Flüchtlingen, gehören in diesen Zusammenhang. Er könne es sich als höchstes Verdienst anrechnen, meinte nach dem Krieg ein massgeblicher Politiker, dass Loosli „als einer der ersten unter uns die geistigen Grundlagen des Nationalsozialismus zerschmettern half“.
Jugendrecht, Schulreform, Erziehung, Fremdplatzierung Aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen war ihm der Kampf um die Besserstellung der Jugend ein besonderes Anliegen. Nach zahlreichen Vorarbeiten eröffnete er 1924 mit Anstaltsleben seinen Feldzug gegen die kasernenmässig-unmenschlich aufgezogenen Heime und Verwahranstalten im ganzen Lande und für eine grundlegende Reform der Schule. Seine Replik «Ich schweige nicht!» (1925) und «Erziehen, nicht erwürgen!» (1928) spiegelten den einsetzenden Reformprozess in der pädagogischen Landschaft, verdeutlicht durch die Tatsache, dass Loosli von einzelnen Kantonsregierungen als Berater bei der Gestaltung von Heimen und in Fragen des Jugendstrafrechts beigezogen wurde. Ein entsprechender Erfolg bei seinen Bemühungen um eine umfassende Schulreform blieb ihm verwehrt – wohl auch aus Zeitgründen konnte er die Ansätze der Reformpädagogik der Jahre vor 1914 nicht weiter verfolgen.
Administrativjustiz Ein weiteres Kapitel zu seinem sozialpolitischen und humanistischen Engagement schlägt er mit dem Kampf gegen die sogenannte „Administrativjustiz“ auf. Es ging dabei um eine seit dem 19. Jahrhundert praktizierte Sonder- und Paralleljustiz, bei welcher Aussenseiter der Gesellschaft, Verarmte, Land- und Stadtstreicher, von den Behörden und Psychiatern unter Umgehung der ordentlichen Gerichte in Anstalten und Gefängnisse abgeschoben und verwahrt wurden. Jeder Kanton hatte seine eigenen Gesetze und Methoden der „Sonderbehandlung“ und Ausgrenzung einer ganzen Klasse von Mitbürgern. Im Laufe der Jahrzehnte handelte es sich um viele zehntausend Menschen, die durch die „Administrativjustiz“ in Mitleidenschaft gezogen wurden. 1939 erschien Looslis aufrüttelndes Buch «Administrativjustiz» und «schweizerische Konzentrationslage». Hunderte von betroffenen Menschen aus dem ganzen Land wandten sich um Hilfe an den Autor, staatliche Stellen waren (noch lange) nicht bereit, sich des Problems anzunehmen. Die Atmosphäre des bevorstehenden Kriegs verlangte nach Geschlossenheit und erschwerte Looslis Anliegen und dessen unerschrockene massive Kritik an den Behörden. Politisch gelang es nicht, eine zur Überwindung der „Administrativjustiz“ erforderliche Koalition zusammenzubringen. Lange nach Looslis Tod erst hat sich die Schweiz 1981 durch die Übernahme von Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention endgültig von den Praktiken der „Administrativjustiz“ verabschiedet.
Würdigung Carl Albert Loosli ist einer der mutigsten und originellsten Intellektuellen der neuzeitlichen Schweiz. Die mit Persönlichkeiten des kulturellen, sozialen und politischen Lebens der Schweiz geführte Korrespondenz, vor allem sein Briefwechsel mit Professor Jonas Fränkel, gehört zu den Highlights schweizerischen Geisteslebens. Seine geistige und politische Unabhängigkeit und seine Erfahrungen der Jugendzeit, der damit zusammenhängende Bildungshintergrund, seine unglaubliche Vielseitigkeit, befähigten ihn Missstände zu kritisieren und zu deren Beseitigung aufzurufen, die Öffentlichkeit vor Gefahren zu warnen und Visionen einer freien und sozialen Gesellschaft zu entwerfen. Sein Name steht für sozialpolitische, erzieherische und kunstpolitische Leistungen von gesamtschweizerischer Bedeutung, denken wir an die Gründung des Schriftstellerverbands 1912, seine 1924 einsetzende Anstaltskampagne, den Kampf gegen die „Administrativjustiz“ und seine Kampagne für die Verdingkinder in den vierziger Jahren. Im Zentrum stand dabei sein Kampf um die Menschen und Bürgerrechte, welche aus seiner Sicht gegen die kurzsichtigen materialistischen Interessen der Oberschichten und der Bürokratie durchgesetzt und ausgebaut werden sollten. In diesem Kontext muss auf den Verfassungsrechtler und Staatsrechtler Loosli hingewiesen werden, der eine eminent wichtige Rolle als Brückenbauer zwischen der französischen und der deutschen Schweiz gespielt hat. Die auf dem Weg permanenter Reformen angestrebten Gesittungsfortschritte sollten in eine endgültige Überwindung von Klassen- und Kastenvorrechten und in eine allgemeine Menschheitsbefreiung und –Verbrüderung ausmünden. In dem Sinne hat sich Loosli als Berner, Schweizer, Europäer und Weltbürger verstanden und behält bis auf weiteres seine aktuelle Geltungskraft.
Von den Mundartgedichten von C.A. Loosli haben folgende Jodelkomponisten Lieder komponiert: Ferdinand Oskar Leu «Burebuebe» und «Der Gugger», Peter Künzi «Der Bänz u der Bäri»
Quelle: Erwin Marti, ein biografischer Abriss von C.A. Loosli, 2015 Stand 5.4.2025 TvA
|